Vor der Predigt schnell einen Schnaps
VON KLAUS SCHOPMANS
WALBECK Im Jahr 1930 hatte Walbeck 1090 Einwohner, fünf „Gastwirtschaften“ und sechs „Schankwirtschaften“. Auf rund 95 Einwohner kam also eine Wirtschaft. Besonders hoch war die „Kneipendichte“ rund um die Pfarrkirche St.-Nikolaus und die St.-Luzia-Kapelle, wo gleich drei Wirtschaften unmittelbar im Schatten des „Doms“ lagen. So stellte sich, als der sonntägliche Gang zum Gottesdienst noch Pflichtprogramm war, für dieWalbecker Männerwelt oft die schwierige K-Frage: Kirche oder Kneipe? Besondere Nähe zu den Gotteshäusern hatte die Schankwirtschaft Peeters, die eingebettet zwischen Kapelle und Kirche lag.
Der erste Besitzer der Gaststätte war der aus Tegelen in den Niederlanden stammende Gerhard Peeters. Im Jahr 1862 geboren, betrieb er in Walbeck in den späten 1890er Jahren eine „Schankwirtschaft“ mit Bügelbahn („Bögelbahn“). Gerhard Peeters betätigte sich nebenbei als „Ackermann“. Wo heute große Teile des Pfarrheims stehen, befand sich die zum Anwesen gehörende Scheune mitsamt Stallungen. Nach dem Tod von Gerhard Peeters übernahm seine Frau den Betrieb. Ab 1931 ist laut Einwohner- Adressbuch für den Kreis Geldern die „Wwe. Gerhard Peeters, Gertrud, geb. Küppers“ als Wirtin navermerkt. Anschließend übernahm ihr Sohn Heinrich Peeters, der 1903 inWalbeck geboren wurde, den Betrieb. 1953 warb er mit folgendem Anzeigentext um Gäste: „Gaststätte Heinrich Peeters erstklassiger Bauernkorn – gepflegte Getränke – Harderings bekanntes Pils – Walbeck Markt 4 – Bügelbahn“. Verglichen mit den Gaststätten „Haus Deckers“ und „Zum Schwan“ (heute Radio-Fernsehen Quinders), die ebenfalls kirchnah lagen, war die Schankwirtschaft „Zum Domwirt“, wie sie auch im Volksmund genannt wurde, vergleichsweise klein.
So findet man in den Walbecker Chroniken nur wenig über das Gasthaus Peeters. Nur einige Versammlungen, wie beispielsweise das Treffen der Gemeinderäte von Walbeck und Pont im Jahre 1953 und des Musikvereins oder der Freiwilligen Feuerwehr, sind belegt. Das Haus verfügte über keinen Saal. Auch einen Speiseplan suchte man vergebens. In der Woche war es in dem Gastraum vergleichsweise ruhig, lebhafter wurde es am Wochenende, bei Feierlichkeiten oder zur Kirmes oder an Karneval. Ein Grund dafür war, dass neben dem Gastgewerbe auch weiterhin Landwirtschaft betrieben wurde. Darum kümmerte sich in den Nachkriegsjahren überwiegend Gerd Peeters, der Sohn der Wirtseheleute Heinrich und Margarethe. Die unmittelbare Nähe zur Kirche hatte auch ihre Besonderheiten. „Sonntags mussten die Kühe schon vor Beginn der ersten Messe um 6 Uhr in der Frühe gemolken sein, damit der Gottesdienst nicht gestört wurde“, erinnert sich Gerd Peeters. „Als ich einmal die Schweine zum Nachbarbauern zum Eber treiben musste, ist mir eines durch die offene Kirchentür entwischt. Zum Glück fand gerade keine Messe statt“, so der 83-Jährige.
So mancher Walbecker machte zu so früher Stunde kurz vor der Messe einen kurzen Abstecher in die schon geöffnete Kneipe, um sich vor der langen Predigt schon mal schnell ein Schnäpsken zu genehmigen. Das Hochamt um 10 Uhr verpassten regelmäßig einige Walbecker Herren. „Die haben mal kurz in die Kirche geschaut, wer die Messe liest, hatten dann ein Alibi und sind zu uns zum Frühschoppen gekommen“, weiß Hanni Peeters, die 1964 beim Domwirt „einheiratete“. Anfang der 60er Jahre erlebte die Gaststätte noch einmal einen Aufschwung, als der Musikverein dort heimisch wurde und in Eigenleistung einen „gemütlichen“ Proberaum errichtete. Bei Peeters wurde fortan nicht nur eifrig geprobt, man konnte anschließend auch nach Herzenslust „op dän Bär haue“. Der Überlieferung zufolge haben viele Musiker dort feucht-fröhliche Stunden verlebt. „Als wir vor der Schließung unseren Ausstand gegeben haben, ging es nochmal richtig hoch her“, weiß Hanni Peeters zu berichten.
Das war im Jahr 1967, als beide Eltern von Gerd Peeters verstarben. Damit war das Ende der Gaststätte besiegelt. „Meine Frau hätte gerne weitergemacht, aber für mich war das nichts. Wir hatten uns da auch schon für einen Gärtnerbetrieb am Bosserweg entschieden, wo wir 1967 hingezogen sind“, erzählt Gerd Peeters, den alteingesessene Walbecker bis heute noch den „Dömer“ nennen. Nach der Aufgabe der Gaststätte fielen das Haus und die dazugehörige Stallung der Spitzhacke zum Opfer. In den frühen 70er Jahren wurde das jetzt freie Grundstück, das trotz engster Nachbarschaft nicht Eigentum der Kirchengemeinde war, für die Errichtung eines neuen Pfarrheims angekauft. 1974 wurde der Grundstein gelegt, am 2. Mai 1976 fand unter großem Anklang die Einweihungsfeier statt.
Foto 1: Versteckt lag die Gaststätte Peeters zwischen der Sankt-Luzia-Kapelle und der Stankt-Nikolauskirche.
Foro 2: Ein gastfreundliches Trio: Das Wirte-Ehepaar Margarethe und Heinrich Peeters mit Kellnerin Käthe Janssen (v.l.) am Zapfhahn.
Foto 3: Gastwirt Heinrich Peeters war immer für einen Plausch in gemütlicher Runde zu haben.