Die Friedenseiche prägt das Spargeldorf

Der stattliche Baum im Herzen von Walbeck feiert seinen 150. Geburtstag. Mit einem dreifachen „Hurra“ auf Kaiser Wilhelm I. wurde am 11. Oktober 1871 die Friedenseiche gepflanzt. Bis heute ist sie ein beliebter Treffpunkt im Ort.

VON KLAUS SCHOPMANS 

Walbeck hat seinen vielen Besuchern, die alljährlich zum Spargelschmaus in das gastliche Dorf strömen, viele reizvolle Anziehungspunkte zu bieten. Dazu gehören im Zentrum des Ortes die alten Markthäuser im Schatten der St.-Nikolaus- Kirche. Und – von den Gästen in der Regel etwas weniger beachtet – die 150 Jahre alte Friedenseiche neben der gleichnamigen Traditionsgaststätte, damals geführt von Hermann Mours. Zusammen mit dem Dorfbrunnen und der 1999 aufgestellten lebensgroßen Bronzestatue einer Spargelstecherin der 30er Jahre eine malerische Idylle. Hier ist Walbeck unverwechselbar, hier ist in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich ein Stück Dorfgeschichte gewachsen. Am 10. Mai 1871 war, nach der Kapitulation Frankreichs (28. Januar), mit der Unterzeichnung des Friedensvertrags im „Schwanenhotel“ zu Frankfurt am Main der deutsch-französische Krieg 1870/71, der letzte der drei deutschen Einigungskriege (deutsch-dänischer Krieg 1864, deutscher Krieg 1866) zu Ende gegangen.

Bereits am 18. Januar 1871 war Wilhelm I. im deutschen Hauptquartier in Versailles zum deutschen Kaiser proklamiert worden. Die nationale Begeisterung nach dem Sieg über Frankreich kannte keine Grenzen. Ungeachtet der vielen Kriegstoten pflanzten patriotisch gesinnte Dörfler auf dem an der Hauptstraße gelegenen Grenzstück des Bürgermeisters Johann Ludwig Leenen mit „Gloria-Viktoria“ und einem dreifachen „Hurra“ auf den Kaiser die Friedenseiche. „Das Schicksal Deutschlands ist nun für 1000 Jahre entschieden“, tönte es über den Marktplatz. Wie der Pädagoge und Heimatforscher Oppenberg in seiner Ortsgeschichte „Walbeck – Freiherrlichkeit und Gemeinde“ schreibt, galt die Eiche vor der Kommunalreform „als eine der schönsten im Kreise Geldern“. Heute ist sie die einzige Friedenseiche in Geldern. Der 2. September war fortan, in Erinnerung an den an diesem Tag im Jahr 1870 bei Sedan errungenen Sieg über die französische Armee, Nationalfeiertag im deutschen Kaiserreich. Überall fanden Krieger- und Siegesfeiern statt. In Walbeck am 11. Oktober 1871. Am Tag zuvor hatten feierliches Glockengeläut und Kanonendonner das bevorstehende Großereignis angekündigt. Und auch am nächsten Tag donnerten von früh bis spät wieder die Geschütze. Straßen und Plätze bildeten ein wahres Flaggenmeer. Und die Friedenseiche war entsprechend geschmückt. Am Vormittag zelebrierte Pfarrer Dr. Driessen ein feierliches Hochamt. Am Nachmittag begab sich der kameradschaftliche Kriegerund Bürgerverein vor den Ort, um die dort versammelten Krieger mit der Vereinsfahne und dem Musikchor einzuholen. Gemeinsam zog man zur Friedenseiche, wo sich die Geistlichkeit und die Gemeindebehörde mit dem Gemeinderat aufgestellt hatten und der Bürgermeister die Krieger namens der ganzen Gemeinde herzlich willkommen hieß. Nach dem Festakt mit Parade auf dem Marktplatz und Festzug durch den Ort folgte ein Festessen im Vereinslokal Allofs (heute Eisdiele), an dem mehr als 160 Gäste teilnahmen. „Bis tief in die Nacht hielt man sich in der heiteren Stimmung versammelt und die Trennung erfolgte mit den Gefühlen und den allgemeinen Äußerungen, ein wahrhaft schönes Fest gefeiert zu haben“, berichtete das „Geldernsche Wochenblatt“.

Vom Kriegerverein Walbeck, der am 8. Oktober 1912 sein 23-jähriges Stiftungsfest feierte, wurde zum Gedenken an die Toten des Vereins im Festsaal der Gastwirtschaft Allofs von Bürgermeister Dietzler, gleichzeitig Ehrenvorsitzender des Kriegervereins, eine Gedenktafel enthüllt. Sie war vom Maler Reinhold Hovestadt aus Geldern gestaltet worden und zeigte als Überschrift das Motto der Kriegervereine „Mit Gott für König und Vaterland“. Es folgten die Namen der Gefallenen aus der Gemeinde Walbeck, die auf den Schlachtfeldern Österreichs und Frankreichs ihr Leben gelassen hatten, und daran anschließend die Name der verstorbenen Vereinsmitglieder. Außerdem waren auf dieser Gedenktafel die Namen der sechs Walbecker Soldaten verzeichnet, die im Krieg 1870/71 gefallen waren: Peter Matthias Leuker, 20, Peter Johann Läukers, 26, Johannes Willems, 27, Wilhelm Tebermann, 25, Peter vanWickeren, 32 und Heinrich Koppers, 21 Jahre alt. Die Tafel wurde im Lokal Allofs aufgestellt, sie ist nicht mehr erhalten.

Das Metallgitter mit dem Walbecker Wappen, das seit Mai 1890 die Friedenseiche umschließt, hat Heinrich Lamers, ehemals Besitzer der Gastwirtschaft „Zur Friedenseiche“, gefertigt. Das seit dem 16. September 1893 die Eiche umschließende Metallgitter war im November 1938 auf Veranlassung der Nationalsozialisten im Rahmen der Aktion „Eisenablieferung“ entfernt worden. Stattdessen wurde eine Mauer aus Backsteinen errichtet, auf der während der Sommermonate Blumenkästen standen. Ursprünglich war die Friedenseiche mit einem Holzgitter versehen. Und auch das gehört zur Geschichte des Baumes: Heinrich Küsters (1920-2006), der von 1988 bis zu seinem Tode die Pfarrgemeinde St. Nikolaus betreute, bekannt und beliebt als eifriger Verseschreiber, schrieb in Bezug auf die Friedenseiche das Gedicht „Am Markt in Walbeck“. Der Heimat- und Verkehrsverein hat die Verse auf einer goldfarbigen Aluminiumplatte drucken lassen und an der Friedenseiche zu verewigt.